Kochkünste
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Vegane Küche: wieso wir uns vegan ernähren sollten

Michel Magada
Verfasst von

In der heutigen Zeit der sozialen Netzwerke ist das Wort "vegan" in aller Munde. Ob aus Gründen der Gesundheit, der Tier-Ethik, der Nachhaltigkeit, der Religion, der Lebensmittelkennzeichnung oder der Mode, die Frage bleibt: Was ist Veganismus letztendlich? Ein gesellschaftlicher, ethischer Trend oder eine historische vegane Ernährungsphilosophie, die es eigentlich schon seit Jahrtausenden gibt? 

Die Geschichte der veganen Esskultur

Die Geschichte lehrt uns, dass der Verzehr von Fleisch und die Domestizierung von Tieren Grundpfeiler unserer Evolution sind. Die kulinarischen Traditionen der Welt haben sich in diese Richtung entwickelt und Fleisch und Fisch in den Mittelpunkt von Gerichten gestellt. Von den ersten kulinarischen Berichten (De Re Coquinaria - Apicius) bis zu den heutigen Suppen, Vorspeisen oder Hauptgerichten sind die tierischen Proteine diejenigen, denen die meisten Rezepte und Veröffentlichungen gewidmet sind.

Aber heute ändern sich die kulinarischen Sensibilitäten, und bestimmte Traditionen haben keine Existenzberechtigung mehr; Gänseleber, um nur ein Beispiel zu nennen. Der Veganismus stellt diese alten kulinarischen Traditionen in Frage, die die Ausbeutung von Tieren zugunsten menschlicher Gaumenfreuden aufrechterhalten. Ist es zu rechtfertigen, dass man sich für eine Tradition, die so köstlich ist wie sie, gegen die Rechte der Tiere einsetzt? Aus veganer Sicht natürlich nicht.

Im 19.  Jahrhundert wurden einige Tierschutzgesetze erlassen, die Tiere als bewegliches und nutzbringendes Eigentum definierten. So zielt das Gesetz von Grammont aus dem Jahr 1850, das die Misshandlung von Haustieren in der Öffentlichkeit unter Strafe stellt, weniger darauf ab, Tiere vor Gewalt zu schützen, als vielmehr die Gewalt ihrer Besitzer einzudämmen. Dennoch tauchten die ersten Gedanken über das Leiden der Tiere auf und ebneten den Weg für den Tierschutzverein.

Im Januar 2015 verabschiedete die französische Nationalversammlung den Gesetzentwurf zur Modernisierung des Gesetzes. Das Tier wird nun als «empfindungsfähiges Lebewesen» anerkannt und gilt nicht mehr als bewegliche Sache (Artikel 528). Diese historische Wende beendet die mehr als 200 Jahre währende archaische Sichtweise des Tieres im Zivilgesetzbuch und entspricht endlich dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse und der Ethik des 21. Jahrhunderts.

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Die devote, vegane Küche

Familiäre Verbindungen werden über Generationen hinweg durch die Weitergabe von Rezepten geknüpft, die unauslöschliche geschmackliche und olfaktorische Erinnerungen schaffen. Wenn ein Familienmitglied eine von seiner Kultur abweichende Ernährungsweise annimmt, sind die anderen Mitglieder versucht, es von dieser Ernährungsweise abzubringen, da sie dies als Ablehnung oder Widerstand, als Bedrohung der kulturellen Identität des Familienkerns empfinden.

Manchmal ist es die Überzeugung der neuen Generation, die dazu führt, dass eine neue Ernährungsweise angenommen wird und die Unterschiede akzeptiert werden. Es gibt viele Gründe, warum sich Menschen dem Veganismus oder der so genannten pflanzlichen Küche zuwenden. Ob aus Gründen des Tierschutzes, der Gesundheit, der Harmonie mit der Natur oder auch der Spiritualität, die pflanzliche Küche findet in der westlichen Welt immer mehr Anhänger.

Im Osten wird diese Philosophie des Essens, der Freundschaft und sogar des Wohlwollens schon seit Tausenden von Jahren angewandt. Sie ist eine wahre Ode an die Natur, den Respekt vor dem Menschen und die Interaktion mit lebenden Pflanzen. Dies hat zur Entwicklung der japanischen Kaiseki-Küche geführt, die ihrerseits aus der Shojin-Ryori-Küche hervorgegangen ist.

Shojin Ryori entwickelte sich ab dem 13. Jahrhundert in Japan, zur gleichen Zeit wie die Ausbreitung des Zen-Buddhismus. Die devote, bescheidene Küche sollte die Meditationspraxis begleiten und das Gleichgewicht und die Ausrichtung von Körper und Geist fördern. Sie umfasst daher frische, leichte, saisonale und lokale Lebensmittel. Aber kein Fleisch, denn das Töten von Tieren vernebelt den Geist und steht im Widerspruch zu den Prinzipien des Buddhismus. Ausserdem gibt es in allen Religionen oder Glaubensrichtungen Zeiten der Jugend oder Abstinenz, die eine Form der Reinigung des Körpers ermöglichen. Dies wird auch von der Medizin empfohlen.

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Ist die vegane Ernährung gesünder?

Eine ausgewogene Ernährung ist bei der veganen Küche schwieriger als bei anderen Ernährungsformen. Wenn sie nicht ausgewogen ist, kann die vegane Ernährung zu Anämie oder körperlicher und geistiger Schwäche führen. Der Mensch hat sich als Allesfresser entwickelt. Wenn die vegane Ernährung nicht mit besonderer Sorgfalt durchgeführt wird, sind Mangelerscheinungen möglich. Dieser Mangel bezieht sich eher auf essenzielle Nährstoffe wie Vitamine der Gruppe B und insbesondere Vitamin B12 (ein Cofaktor für Neurotransmitter), Eisen (reichlich in rotem Fleisch), Kalzium (Milchprodukte), Jod (Fisch) und essenzielle Fettsäuren (Omega 3 und 6) als auf Proteine. Das Problem der Proteinzufuhr bei Erwachsenen ist jedoch in den Industrieländern relativ gering.

Tierische Proteine haben einen hohen biologischen Wert. Das bedeutet, dass sie die acht essenziellen Aminosäuren in den richtigen Anteilen enthalten. Pflanzliche Proteine (mit Ausnahme von Soja) weisen dagegen häufig einen Mangel an der einen oder anderen Aminosäure auf. Es ist daher notwendig, Getreide, Samen, Algen, ölhaltige Früchte und Hülsenfrüchte über den Tag verteilt zu kombinieren, damit alle essenziellen Aminosäuren und Nährstoffe vorhanden sind.

Hülsenfrüchte sind zum Beispiel reich an Lysin, einer Aminosäure, die im Getreide fehlt, das Methionin liefert. Eisen ist für unseren Körper unentbehrlich und ermöglicht es den roten Blutkörperchen, Sauerstoff zu den Zellen zu transportieren. Neben Fleisch sind folgende Lebensmittel reich an Eisen: Linsen, Petersilie, Tofu, Weizenkeime, Nüsse, Sultaninen, Spinat und Rote Beete. Vitamin B12 wird vor allem durch Lebensmittel tierischen Ursprungs zugeführt: Innereien, Rindfleisch, Lammfleisch, Schalentiere, fetter Fisch, Eier und Käse. 

Mit einer Vielzahl von gut aufeinander abgestimmten Zutaten erhalten Sie also alle essenziellen Aminosäuren und Nährstoffe, die Sie benötigen. Hier sind zwei Beispiele für gute Kombinationen:

1.    Hülsenfrüchte + Getreideprodukte
2.    Hülsenfrüchte + Ölsaaten oder Samen

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine ausgewogene vegane Küche vor allem eine abwechslungsreiche Ernährung ist. Dies eröffnet natürlich ungeahnte Möglichkeiten der Kreativität.

In diesem Video finden Sie Inspiration für ausgefallene vegane Gerichte:

Vegane Gerichte vom Vegan Cuisine Short Course am EHL Campus Passugg mit Thomas Bissegger.


Vegan für die Umwelt

Der Veganismus positioniert sich auch als Akteur für den Erhalt der Umwelt und fordert eine Verringerung des ökologischen Fussabdrucks, der durch die Ausbeutung von Tieren entsteht. In Wahrheit haben jedoch sowohl fleischfressende als auch vegane Ernährungsweisen Auswirkungen auf den Wasserverbrauch, die Treibhausgase und den Transport von Zutaten, die nicht aus der Region stammen. Wer durch vegane Ernährung seinen Fussabdruck verkleinern möchte, muss die Herkunft der Nahrungsmittel genau im Auge behalten.
 
Auch wenn die Öko-Bilanz auf den ersten Blick gut sein mag, ist vegane Ernährung wirklich nachhaltiger? Eine Studie der Universität Oxford zeigt, dass die durchschnittliche Ernährung eines Menschen, der viel Fleisch isst und 2000 Kalorien zu sich nimmt 2,5-mal mehr Treibhausgase freisetzt als die durchschnittliche Ernährung eines Veganers, der 2000 Kalorien zu sich nimmt. Jedoch muss auch die Herkunft und die Produktionsbedingungen von Lebensmitteln berücksichtigt werden. So haben mehrere Studien gezeigt, dass der Wasser-Fussabdruck von Nüssen und Bohnen grösser ist als der von Hühnerfleisch. Das heisst, dass die Umstellung von einer Ernährung mit einem hohen Anteil an Hühnerfleisch auf eine vegane Ernährung, die Proteine aus Hülsenfrüchten und Nüssen benötigt, in einigen Fällen zu einem grösseren Wasser-Fussabdruck führt.

Insgesamt haben Studien jedoch bewiesen, dass eine Ernährung mit reduziertem Fleischkonsum geringere Umweltauswirkungen in Bezug auf Treibhausgasemissionen, Wasserverbrauch und Landnutzung hat.
 

Vegane Michelin-Sterneköche

Nachdem sie lange Zeit nur eine Nebenrolle gespielt haben, treten Gemüse und vegane Produkte nun immer mehr in den Vordergrund.

um nur einige zu nennen, sind allesamt Sterneköche, die die vegetarische oder gar vegane Küche zu neuen Höhen geführt haben.

Pietro Leemann vom Joia in Mailand betreibt das erste vegetarische Restaurant, das 1996 mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet wurde. Nach 30 Jahren des Bestehens gilt das Joia als das wichtigste Restaurant in Europa und der Welt, was die grüne, ethische und nachhaltige Küche betrifft.

«In Europa war die vegetarische Küche immer die Küche der Armen, da Fleisch und Fisch für sie unerreichbar waren, während im Osten die vegetarische Küche schon immer für alle da war. Mit der jetzigen Entwicklung hinzu pflanzlichen Produkten erleben wir einen historischen Moment, aber  der Sinneswandel ist notwendig.»

Pietro Leemann - Gründer von Joia, Mailand.

Im Oktober 2022 erhält Daniel Humm mit dem Eleven Madison Park nun sogar als erstes rein veganes Restaurant drei Michelin Sterne. Dies ist eine Sensation im Fine-Dining-Geschäft und eine grosse Chance für den Veganismus, sich im Fine-Dining zu etablieren.



Dank eines wachsenden Bewusstseins fühlen sich viele Menschen, die nicht unbedingt Veganer oder Vegetarier sind, von der pflanzlichen Küche angezogen. Der berühmte Michelin-Führer hat 2021 den Grünen Stern eingeführt, um Köche zu belohnen, die ökologisch verantwortungsbewusst sind und Beispiele für Nachhaltigkeit aufzeigen.

«Es gibt unendlich viele Geschmacksrichtungen bei Gemüse! Allein die Tomate kann hundert verschiedene Geschmacksrichtungen haben. In den Vereinigten Staaten, Indien und anderen asiatischen Ländern haben die Köche den Reichtum dieser Küche schon lange erkannt. In Europa braucht es etwas mehr Zeit», sagt Claire Vallée, Küchenchefin des mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten Restaurants Ona.

Auch Rolf Hiltl, der 1898 in Zürich eine der ersten veganen Metzgereien eröffnete und die Familientradition mit seinem vegetarischen Restaurant, das als das älteste der Welt gilt, fortsetzt, ist in der Branche nicht zu übersehen. 

 

Veganes Essen als Medizin

«Deine Nahrung sei deine Medizin und deine Medizin sei in deiner Nahrung», sagte Hippokrates. Dieser berühmte Spruch, der schon Jahrhunderte vor Christus galt, hat auch heute noch Gültigkeit. Die Realität ist, dass schlechte Essgewohnheiten uns sehr leicht unsere Gesundheit kosten können. Seien wir ehrlich: Lebensmittel sind lebensspendend, aber sie können auch lebenszerstörend sein.

Sollte der Staat nicht, wie bei der Senkung der CO2- und Energiekosten, eine führende Rolle bei einer neuen Ernährungsumstellung mit Zielen zur Verringerung des Verbrauchs tierischer Erzeugnisse spielen? Wäre dies nicht eine positive Massnahme für die Gesundheit der Menschheit? Es ist auch wichtig zu fragen, ob wir in der Lage sein werden, gegen den Einfluss von Lobbys und der Lebensmittelindustrie zu kämpfen und vor allem das Gewicht unserer kulturellen Gewohnheiten zu überwinden.

Ob wir nun Veganer, Vegetarier oder sogar Flexitarier sind, wir müssen zu unseren Wurzeln zurückkehren, zurück zur Erde, zurück zu den Jahreszeiten, zurück zu uralten kulinarischen Traditionen. Jean François Revel hebt in seinem Buch «Un festin en paroles: Histoire littéraire de la sensibilité gastronomique de l'Antiquité à nos jours» (1979) hervor, dass unsere Ernährungsbedürfnisse eng mit dem Klima, der Geografie und den Jahreszeiten verbunden sind. Unser Körper braucht im Sommer das Wasser, die Vitamine und Mineralien einer Tomate, während er im Winter die Nährstoffe eines Kohls oder Wurzelgemüses benötigt.

Es gibt einfache Lösungen, wie zum Beispiel die Diversifizierung unserer Mahlzeiten, eine ausgewogene Ernährung, die Orientierung an den Jahreszeiten der Produkte, die Freude am Kochen für andere und sogar der Austausch von Rezepten. Die kulinarischen Genüsse der Pflanzen sind eine unerschöpfliche Quelle der Kreativität und der Gesundheit - nutzen wir sie zu unserem Vorteil.

 


Vegan Kochen lernen mit Sternekoch Thomas Bissegger

Kochen ist seine Berufung, die er rund um die Uhr mit viel Passion, Kreativität und Disziplin verfolgt. Thomas Bissegger ist leidenschaftlicher Koch und Dozent an der EHL Hotelfachschule Passugg und leitet den neuen Kurzlehrgang zum Thema Vegane Küche.

Seit über 50 Jahren gehört die EHL Passugg zu den führenden Hotel- und Hospitality Management-Fachschulen. Der Kurs „Vegane Küche“ richtet sich an Fachkräfte und Koch-Enthusiasten mit Erfahrung bzw. Vorkenntnissen im Bereich des Kochens. Hier erlernen die Teilnehmer, wie wichtig vegane Angebote in der heutigen Gastronomiewelt sind und wie sich vegane Gerichte leicht in den täglichen Betrieb integrieren lassen, um die steigende Nachfrage der Konsumenten zu bedienen. Das Verständnis für die moderne, zeitgemässe vegane Küche wird gestärkt und neue Kochmethoden werden erkundet.

Lesen Sie mehr hierzu: Culinary Experience - Vegan mit Thomas Bissegger

 

 

 
Verfasst von

Lecturer in Practical Arts

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