Hospitality News & Business Insights der EHL

Die EHL Passugg bildet emotionale Intelligenz aus

Geschrieben von Claudia Schmid | 06.10.2023 16:00:00

Affective Hospitality, was so viel bedeutet wie angewandte emotionale Intelligenz in der Hotellerie und Gastronomie, ist ein Kernstück im überarbeiteten Lehrplan der Höheren Fachschule an der EHL Hotelfachschule Passugg. Studierende und Mitarbeitende lernen, wie emotional intelligentes Verhalten und Zusammenarbeiten in der Praxis funktioniert und das Lernfeld soll über den Lehrplan hinaus Wirkung zeigen.

Emotionale Intelligenz ermöglicht emotionale Verbindung

An jeder Hotelfachschule in der Schweiz werden für die Arbeit im Betrieb fachlich relevante Kompetenzen in den Bereichen Rezeption, Küche, Service, Administration, Finanzen, Marketing, Management, etc. ausgebildet. Für die Erfahrung als Gast in einem Restaurant oder Hotel spielt es in der Regel jedoch keine grosse Rolle, ob ein Teller von links oder von rechts eingesetzt wird oder über welches Buchungsprogramm die Reservationsbestätigung erstellt und verschickt wird.

Viel wichtiger ist für Gäste, wie sie sich während des Aufenthalts fühlen. Wie ist die Atmosphäre? Fühle ich mich willkommen? Ist der Servicemitarbeiter interessiert und zugewandt? Hat die Rezeptionistin bemerkt, wie müde ich von der Reise war? Lächelten mir die Mitarbeitenden aus dem Reinigungsteam auf dem Weg ins Zimmer zu? Das sind die Faktoren, die für eine positive Gästeerfahrung sorgen.

Oder anders gesagt: Die zwischenmenschlichen Komponenten erzeugen angenehme Emotionen. Da können im Betrieb hoch professionell arbeitende Menschen tätig sein, wenn die Kompetenz fehlt, den Gästen einen emotional positiven Aufenthalt zu ermöglichen, nützen die fachlichen Fähigkeiten allein nicht viel.

Hoteliers und Gastronominnen bewegen sich täglich in verschiedenen Rollen als hervorragende Gastgeber, geschickte Kommunikatorinnen, effektive Unternehmer und charismatische Netzwerkerinnen. Ähnlich wie Regisseure ein Theaterstück auf einer Bühne inszenieren, sollen auch Hoteliers und Gastronomen in der Lage sein, die Atmosphäre und das Setting im Betrieb so zu kreieren und zu begleiten, dass die emotionale Erfahrung der Gäste angenehm ist. Der Unterschied zum Theaterstück ist, dass es sich im Hotel nicht um ein Spiel handelt, sondern um die Gestaltung echter, authentischer Beziehungen von Mensch zu Mensch.

Durch Automatisierung und Digitalisierung können immer mehr Arbeitsabläufe von Maschinen ausgeführt werden. In Zeiten von Fachkräftemangel ist diese Entwicklung durchaus positiv zu sehen, vor allem wenn es sich um eintönige und wenig herausfordernde Tätigkeiten handelt. Nicht durch Roboter und Maschinen ersetzbar, sind die Bereiche, in denen zwischenmenschliche Beziehungen und Kommunikation zentral sind. Auch wenn es Versuche gibt, dass Roboter und Computerprogramme Emotionen erkennen und darauf reagieren, bleibt emotionale Intelligenz eine zutiefst menschliche Kompetenz, die jedoch von uns entwickelt werden muss.

Obwohl wir von Geburt an lernen, Emotionen bei anderen zu erkennen und zu interpretieren, wird uns der bewusste Umgang mit unseren emotionalen Mustern nicht in die Wiege gelegt. Unsere Verhaltensweisen sind geprägt von unserer Geschichte und laufen normalerweise automatisch ab. Um das zu erkennen, ist ein hohes Mass an Selbstwahrnehmung und Reflexion eine Grundvoraussetzung, die es ermöglicht die Signale, die Emotionen uns senden zu erkennen und angemessen auf Situationen zu reagieren.

Zu lernen die eigenen und die Emotionen von anderen bewusst zu erkennen, zu regulieren und mit ihnen umzugehen ist die Grundlage von Affective Hospitality und ein Schlüssel für persönlichen und beruflichen Erfolg.

 

Emotionale Intelligenz lässt sich entwickeln

An der EHL Hotelfachschule Passugg werden für die Ausbildung und Weiterentwicklung von Affective Hospitality verschiedene Gefässe genutzt:

 

1. Affective Hospitality als Lernfeld

Der Ausgangspunkt für die Förderung emotionaler Intelligenz ist im HF-Lehrgang an der EHL Passugg seit 2022 das Lernfeld Affective Hospitality. Die Inhalte dieses „Fachs“ werden genau wie Marketing, Getränkekunde, Informations- und Kommunikationstechnologie oder Buchhaltung von dafür ausgebildeten Dozierenden unterrichtet. Affective Hospitality erstreckt sich in vier Modulen über alle Semester des HF-Studiums. Die Module bauen aufeinander auf und vermitteln folgende Inhalte:

 

Emotionen verstehen

Zu erkennen, wozu Emotionen da sind und dass sie immer dann auftauchen, wenn  für uns etwas von Relevanz ist, ist die Basis die im 1. Semester gelegt wird. In diesem Modul wird auch der emotionale Wortschatz erweitert und die Studierenden üben die feinen Unterschiede der verschiedenen Emotionen zu spüren. 

Emotionen regulieren

Im 2. Semester lernen die Studierenden Möglichkeiten kennen, ihre Verhaltensmuster zu beobachten und die eigenen Emotionen zu regulieren. Das anschliessende Praktikumssemester bietet viel Gelegenheit die Methoden und Varianten zur Situations- und Reaktionsveränderung und die Achtsamkeitsübungen, welche die Studierenden im Unterricht kennengelernt haben, direkt im Arbeitsalltag anzuwenden.

Emotionen erkennen

Wie man Emotionen bei sich und bei anderen erkennt und wie Emotionen durch Raumgestaltung, Licht, Musik und Kunst bewusst erzeugt werden können, ist der Schwerpunkt im 4. Semester. Eine zentrale Grundlage dafür ist zu lernen zwischen Interpretation und Wahrnehmung zu unterscheiden und achtsam mit den eigenen (Vor)Urteilen umzugehen.

Mit Emotionen umgehen

Nach einem weiteren Praktikum im 5. Ausbildungssemester geht es im 6. und letzten Semester um den Umgang mit Emotionen anderer Menschen. Die angehenden Hoteliers und Gastronominnen erhalten ein Verständnis davon, was emotional intelligente Führung von Menschen bedeutet.

 

2. Affective Hospitality Assessement - Ein Test für emotionale Intelligenz

Zu Beginn der Ausbildung durchlaufen die Studierenden das Affective Hospitality Assessement. Der leistungsbasierte Test für emotionale Intelligenz (EI) enthält Fragen, die typische emotionsgeladene Arbeitsplatzszenarien in Hotellerie und Gastronomie beschreiben und eine Auswahl von hilfreichen und weniger hilfreichen Reaktionen anbieten. Der Test misst die Fähigkeiten in den 4 Kompetenzbereichen: Emotionsverständnis, Emotionsregulation, Emotionswahrnehmung und Umgang mit Emotionen.

Am Ende des Studiums absolvieren die Studierenden den Test nochmals und erhalten so einen Nachweis zur Entwicklung ihrer emotionalen Kompetenz während des Studiums an der EHL Passugg. Die Daten werden von der Universität Genf ausgewertet und der Schule in anonymisierter Form zur Verfügung gestellt. Damit kann die EHL Passugg auch den Erfolg der Affective Hospitality Ausbildung messen.

 

3. Das Rollenprofil der HF-Absolventen und Absolventinnen

Ergänzend zu Affective Hospitality hat die EHL Passugg Rollen definiert, in denen emotionale Intelligenz zur Anwendung kommt und die gleichzeitig auch die fachlichen Kompetenzen, welche in den anderen Lernfeldern ausgebildet werden, beinhalten. Am Ende des Studiums sind die Absolventen und Absolventinnen fähig, sich in ihrem Berufsfeld in diesen vier Rollen sicher und professionell zu bewegen:

 

Host

Die Studierenden lernen im 1. Semester alle Bereiche eines Hotels kennen und werden in die operativen und theoretischen Grundlagen von Küche und Service eingeführt. In den praktischen Lektionen am Mittag machen Sie erste Erfahrungen als professionelle und empathische Gastgeber/innen.

Communicator

Im 2. Semester wird die Kommunikation auf allen Ebenen im Hotelbetrieb zum Schwerpunkt. Die Studierenden lernen, wie man sich wirkungsvoll und wertschätzend ausdrückt, worauf man im interkulturellen Kontext achten muss und welches die klassischen Marketing- und Kommunikationskanäle sind. Rezeption und Hauswirtschaft sind in diesem Semester die praktischen Übungsfelder dafür.

Entrepreneur

Als Unternehmer/innen tauchen die Studierenden ins 4. Semester ein, wo strategische und administrative Themen relevant werden. In der Concept Week kommen die Aspekte aus den Bereichen Planung, Finanzierung oder Personalführung in Anwendung. Emotional intelligentes Verhalten zeigt sich in diesem Semester besonders in Projektarbeiten in gemischten Gruppen.

Networker

Im 6. Semester werden, nach dem zweiten Praktikum, alle Lernfelder der Ausbildung vernetzt. Als Netzwerker/innen erkennen die Studierenden Zusammenhänge über den eigenen Arbeitsbereich hinaus und sie üben sich darin Kontakte zu pflegen und Beziehungen aufzubauen, die für die Zusammenarbeit und Weiterentwicklung wichtig sind. 

 

4. Das Lernportfolio für Reflexion und Kompetenznachweis

Mit dem Lernportfolio reflektieren die Studierenden über die gesamte Ausbildung hinweg ihre persönlichen, fachlichen und emotionalen Kompetenzen. Anhand von konkreten Beispielen zeigen Sie nachvollziehbar auf, wie sie sich in ihre Berufsrolle hineinentwickeln und wo sie noch Potential sehen. Im letzten Semester ziehen sie im Prüfungsportfolio ihr Fazit aus der Ausbildung und präsentieren vor einem Expertengremium ihr Kompetenzprofil als Hotelier-Gastronom/Hoteliere-Gastronomin HF.

Lesen Sie mehr über Affective Hospitality in der Hotelmanagement-Ausbildung

Entwicklungsstand des emotional intelligenten HF-Lehrplans

Die vorgestellten Elemente im HF-Lehrplan der EHL Hotelfachschule Passugg, in welchem Affective Hospitality ein Kernstück bildet, ist noch in der Pilotphase. Derzeit befindet sich die erste Klasse, welche diese neuen Lernfelder besucht, im 4. Semester. Erste Ergebnisse in der Entwicklung der Studierenden sind bereits sichtbar und wir beobachten gespannt die Fortschritte der jungen Nachwuchskräfte.

Dadurch, dass die EHL Passugg Affective Hospitality parallel auch als Unternehmenskultur integriert, indem Mitarbeitende, Dozierende und Management in der Entwicklung ihrer emotionalen Kompetenzen unterstützt werden, fliesst die emotional intelligente Grundhaltung mehr und mehr auch in alle Lernfelder der Ausbildung mit ein.

Die parallellaufende Entwicklung in Richtung einer emotional intelligenten Organisation, hat einen massgeblichen Einfluss auf den Erfolg von Affective Hospitality. Ganz nach dem Leitsatz von Albert Schweitzer der gesagt hat: „Das gute Beispiel ist nicht nur eine Möglichkeit andere Menschen zu beeinflussen. Es ist die einzige!“

 

Angebote zur Einführung von Affective Hospitality in Hotelbetrieben

Dass die Entwicklung emotionaler Kompetenzen auf den beruflichen und persönlichen Erfolg einen Einfluss hat, wird durch immer mehr Studien nachgewiesen. Emotional intelligentes Verhalten verbessert zwischenmenschliche Beziehungen zu Gästen, Mitarbeitenden und Teammitgliedern, was wiederum Auswirkungen auf das Arbeitsklima und eine gute Atmosphäre im Betrieb hat.

Das wird auch von den Gästen wahrgenommen. So beeinflusst Affective Hospitality die Zufriedenheit, Gästeloyalität, Fluktuation von Mitarbeitenden, Zusammenarbeit und schlussendlich auch auf den Umsatz im Betrieb positiv.

Die Unterstützung von emotionaler Kompetenz bei den Nachwuchskräften an der Höheren Fachschule ist nur ein Aspekt, auf den die EHL im Zusammenhang mit Affective Hospitality setzt. Das Affective Hospitality Assessment und die Ausbildungsinhalte zur Entwicklung emotionaler Intelligenz sollen auch den Betrieben in der Hotel- und Gastronomiebranche zur Verfügung stehen. So kann der EI-Test zur Standortbestimmung der emotionalen Kompetenzen im Betrieb genutzt werden, um dann mit begleitenden Massnahmen (Workshops, Trainings) die emotionalen Kompetenzen in Führungsteams und bei Mitarbeitenden weiterzuentwickeln.

Auch hier befindet sich die EHL mitten im Aufbau und gleist mit der Gründung des EHL Affective Hospitality Instituts (AHI) die ersten Pilotprojekte in Zusammenarbeit mit interessierten Hotelbetrieben auf. Wir haben die Vision, dass mit dem Engagement zur Entwicklung von emotionalen Kompetenzen nicht nur ein weiteres Gadget zur Optimierung der Betriebsperformance auf den Markt kommt, sondern dass damit ein massgeblicher Beitrag für mehr Lebensqualität und ein konstruktiveres Miteinander über den beruflichen Kontext hinaus geleistet wird.

 

Affective Hospitality Assessment